Post by Frank MechelhoffWas Du hier allerdings für Hinweise gibst, übersteigt alle
Erwartungen! Sag mir doch bitte auch noch, was denn der kritische Tenor
von CoFo war bezgl. der auch von Dir angesprochenen Frage "muss man mit
einem f/1.2 in der Gesamtperformance Abstriche gegenüber den besten
f/1.4 Linsen hinnehmen?" E.Puts beantwortet diese Frage ja offenbar mit
"Nein".
Also, die CoFo/WES hat in besagtem 1,2er Test keinen qualitativen
Vergleich mit entsprechenden 1,4er-Objektiven angestellt. Dafuer begann
der zweiteilige Test aber mit einer grundsaetzlichen Betrachtung, was
die 1,2 ueberhaupt bringt, bzw. ob es ueberhaupt sinnvoll ist, sowas
einem 1,4er vorzuziehen. Dazu reichte eine qualitative Betrachtung.
Es wurde vorgerechnet, dass die 1,2 real allenfalls 1/3 Blende mehr
bringt, also einen "Unterschied" in der Groessenordnung der Schwankung
bei Filmempfindlichkeit und Entwicklung. Wer available light fotogra-
fiere, koenne mit anderen Mitteln erheblich mehr gewinnen, wogegen der
1,2-zu-1,4-Unterschied vernachlaessigbar sei. Tatsaechlich wurden schon
rein geometrisch alle Objektive mit Lichtstaerken gemessen, die um die
Drittelstufe 1,26 lagen. Wenn man dann nur geringfuegig mehr Vignettie-
rung als bei 1,4ern annimmt, bleibt schon gar nicht mehr viel.
Auf diese Weise ernuechert ging es dann an den Test. <8)
Eine qualitative Wertung laesst sich aber vielleicht dennoch herleiten.
Im folgenden Jahr lief in der CoFo ein Test von Mittelformatoptik. Um
einen Vergleich zu Kleinbild zu erhalten, liefen auch je Objektivtyp
(WW, Standard, Tele) zwei entsprechende Objektive von Canon und Nikon
mit. Bei den Standardobjektiven waren es die 1,8(!)/50 beider Marken.
In der Schlusswertung, die wieder auf dem gleichen Punkteschema wie
bisher beruhte, wurden auch diese 1,8er-Standardobjektive aufgefuehrt.
Dabei wurde der Mittelwert der Canon- und Nikon-Variante angesetzt.
Bewertet wurde jeweils eine grosse Blende (kleinbildentsprechend um 2,8)
und eine mittlere (entspr. um 5,6). Die gleichen Wertungen waren auch
bei den 1,2er-Objektiven vorhanden (natuerlich zusaetzlich zur 1,2) und
sind somit vergleichbar.
Ergebnis: bei gleichen Blenden nehmen sich 1,2er und 1,8er hinsichtlich
der Schaerfe nichts. Die besseren 1,2er liegen praktisch gleichauf mit
den 1,8ern. Gemaess Wertung ist bei den besten 1,2ern die Ueberstrahlung
deutlich geringer, dafuer vignettieren sie alle sichtbar mehr als die
1,8er und verzeichnen idR auch staerker. In der Gesamtwertung aller
Kriterien incl. praktischer Handhabung lagen die 1,8er schliesslich
knapp vor den besten 1,2ern.
Interessant ist noch ein Vergleich bei 1,8 oder 2. Dazu haelt die End-
wertung keine Zahlen bereit, aber es gibt ja die detaillierteren Mess-
werte im jeweiligen Einzeltest. Demnach liegen die 1,8er bei offener
Blende meist zwischen den 1,2ern bei 1,2 und bei 2,0. Bei gleicher
Blende ist die Leistung also vergleichbar, die 1,8er sind allerdings von
der Mitte zum Rand deutlich gleichmaessiger.
Von meinem 1,4/50 weiss ich, dass es gegenueber dem 1,8/50 noch ein
Ideechen drauflegt, insbesondere an Brillanz. Wenn es also um den
Vergleich 1,2 zu 1,4/1,8 geht, kann man die Ergebnisse vielleicht etwa
so zusammenfassen, dass die 1,2er bei gleicher Blende den 1,4 und 1,8
nicht viel nachstehen. Fuer die praktische Anwendung kann man die
besseren 1,2er-Versionen als nahezu gleichauf bewerten. Die Unterschiede
duerften nicht groesser sein als die Leistungsschwankungen zwischen den
verschiedenen Objektiven einer Lichtstaerkenklasse.
Post by Frank MechelhoffFür ihn gilt dass die f/2 Designs die besten sind ("heiliges Summicron").
Du erwähntest was von einem Test FD 1.4/50mm gegen Summicron.
Jaaaaa.... Das ist eine andere Geschichte. 8-)
<schaukelstuhl>
Wir schreiben das Jahr 1970. Auf der Photokina zeigt die Fa. Canon ein
neues Kamerasystem: die F-1 mit den dazugehoerigen neuen FD-Objektiven.
Als Standardobjektiv wird dazu ein 1,4/50 angeboten. Wenn ich die Neu-
vorstellung im damaligen FM richtig lese, war das 1970 tatsaechlich
sogar das einzige FD-50er, ein 1,8 kam erst kurz danach (wie spaeter bei
Contax *gg*). Und das ausgerechnet auf einer Messe in Deutschland, quasi
"Home of Summicron", wo ein gutes Standardobjektiv traditionell eher
Lichtstaerke 2,8 hatte oder vielleicht noch 2,0. Und jetzt wird da ein
1,4/50 als Mittelpunkt und Referenz eines neuen Kamerasystems gezeigt.
Unerhoert. <8)
Es muss in jener Zeit wohl tatsaechlich noch gewisse Vorbehalte oder
Bedenken gegeben haben. Jedenfalls geschah es etwas spaeter im Jahre 73,
dass ein gewisser Guenter Richter, ein von Zeitschriftenartikeln und
diversen Fotobuechern bekannter Autor, fuer ein Buch zum F-1-System die
Probe auf's Exempel machte. Von der Leistung des FD 1,4/50 ueberzeugt,
nimmt er dieses Objektiv und dazu den Inbegriff der Spitzenklasse bei
Standardoptik, das oben schon erwaehnte Summicron-R 2/50 zur Leicaflex.
Fuer nicht wenige sowas wie ein Denkmal der Spiegelreflexoptik.
Damals war MTF-Messung noch etwas recht Neues. Eine der modernsten
Anlagen dafuer stand bei der Fa. Rodenstock in Muenchen. Und genau dort
wurde ein Treffen zur Vergleichsmessung arrangiert, durchgefuehrt von
den unabhaengigen Mitarbeitern der Fa. Rodenstock, allen voran der Dir
sicher bekannte Dr. Kuttner.
Was kam heraus? Auf dem Plotter erschien die MTF-Funktion in Abhaengig-
keit von der Aufloesung, jeweils fuer Mitte, 9 mm und 14 mm Bildhoehe.
Also etwas anders als die heute uebliche Darstellung.
In der Bildmitte war das ganze eine klare Sache: Schon bei Blende 2 lag
das FD leicht vorn, bei 5,6 legte es im Gegensatz zum Leitz erheblich zu
und muss eindeutig eine Klasse oberhalb des Summicron plaziert werden.
Ein Vorsprung, den man in seinem Ausmass nur erstaunlich nennen kann.
Etwas ausserhalb bei 9 mm sah das ganze dann ausgewogener aus, beide
Objektive schenkten sich nichts. Bei Blende 2 zeigte das Summicron
Astigmatismus, bei 5,6 das FD. In der sagittalen MTF lagen beide etwa
gleichauf, tangential hatte bei 2,0 das Canon und bei 5,6 das Leitz
jeweils leicht die Nase vorn.
Naeher zum Rand verhielten sich beide Objektive bei 5,6 praktisch
identisch. Bei Blende 2 litt das Leitz ausgerechnet im interessanten
Bereich der Frequenzen bis 50 lp/mm an Astigmatismus, waehrend das FD
davon kaum betroffen und somit im Vorteil war.
Alles in allem: in der Mehrzahl der Kriterien nahmen sich beide Objek-
tive hinsichtlich der Schaerfe nicht die Butter vom Brot. Hier und da
aber hatte das FD mal leicht, in der Mitte sogar deutlich die Nase vorn.
Und das bei doppelter Lichtstaerke.
Bei 1,4 gab es fuer das Summicron natuerlich nichts zu messen. Wenn ich
mir die Werte des FD so ansehe, erstaunen mich ehrlich gesagt die recht
nahe beieinander laufenden Kurven fuer sagittale und tangentiale MTF.
Am Rand liegt das FD bei 1,4 fast gleichauf mit dem Leitz bei 2,0. In
der Mitte loest es feinste Strukturen > 100 lp/mm so gut auf wie das
Summicron bei 2,0. Natuerlich steht aber die Leistung bei 1,4 insgesamt
hinter der bei Abblendung auf 2,0 zurueck.
Das Testprotokoll mit den Messungen vom Dezember 1973 liegt AFAIK bis
heute im Archiv von Rodenstock (oder wie die jetzt heissen). Vor Jahren
hat hier mal ein R.-Mitarbeiter mitgelesen (Gruss nach Muenchen 8-)) und
diese Messungen tatsaechlich dort wiedergefunden. Wir Normalsterblichen
koennen die Ergebnisse nachlesen in Guenter Richters Buch "Canon F-1",
Mitte der Siebziger erschienen im Heering-Verlag.
Soweit diese Geschichte.
</schaukelstuhl>
Post by Frank MechelhoffIch hab meine ersten eigenen Kameras in den späten 70'ern, frühen
80'ern (als Abiturient) gekauf
Das war bei mir ganz genauso. 8-)
Post by Frank Mechelhoffund mich damals in CoFo und den anderen
damals erhältlichen besten Quellen informiert.
Auch das.
Post by Frank MechelhoffBis heute lese ich
keine "Marken-Fanbücher" (weil mir die kritische Distanz zum Objekt
idR fehlt) und verfüge leider über kein Fotoindustrie-Archiv. Das ist
für mich aber das eigentlich interessante. Deswegen ja auch der
Artikel "Westdeutsche SLRs", der zu den meistgelesensten meiner site
gehört
Ja, das Stoebern in alten Zeiten hat was. 8-)
Post by Frank MechelhoffDeswegen würde ich auf Puts nie ironisch herumhacken wie das in
einiegn Kreisen Mode ist. Ich bin nicht in allen Punkten derselben
Meinung und sein Foto-Stil ist auch nicht meiner.
Gut, wenn man seinen "Hintergrund" kennt, kann man die eine oder andere
Aeusserung sicher zweckgemaess einschaetzen. Trotzdem wundert mich die
Behauptung, das FD 1,2/55 AL sei seinerzeit teurer als das Noctilux
gewesen. Ich frage mich, welche Zahlen er dazu hat.
Post by Frank MechelhoffAber er ist bestimmt klüger und weiss mehr als
die meisten seiner Kritiker - Dich ausgenommen ;-)
Ah so. 8-)
Post by Frank MechelhoffJedenfalls bin ich jetzt überzeugt dass es nicht falsch war das FD
1.5/55 Asph. zu kaufen
FD Chromring ist eigentlich nie ein Fehler. 8-)
Post by Frank Mechelhoffauch wenn's nicht eins der besonders seltenen
"AL" markierten ist... die waren übrigens teurer: 145.000/ 147.000
yen; das "Aspherical" kostete bloß 90.000. Canon hat seine Preise
immer reduziert wenn fertigungstechnisch begründet; daher vermute ich
dass die ersteren Serien mehr "Handarbeit" erforderten.
Erstaunlich.
Ich muss mal kucken, ob ich dazu noch irgendwelche Zahlen habe.
Post by Frank MechelhoffBesser sind sie
deswegen ja wohl nicht (auch Puts testete die "Aspherical" Ausführung
und CoFo ja anscheinend auch)
Ja, wie gesagt eines der letzten Exemplare.
Direkt danach kam das 1,2/50L.
Post by Frank MechelhoffAuch den deutschen Fotozeitschriften muss man den Vorwurf machen die
Modellpolitik von LEICA damals nicht kritischer hinterfragt zu haben.
Wer will Leica denn den Vorwurf machen etwas produziert zu haben dass
die Fachjournalisten lakaienhaft gelobhudelt haben?? Es ist doch kein
Zufall dass gerade in den 80'er Jahren die Weiterentwicklung der
M-Serie sträflich vernachlässigt wurde. Hat die deutsche Fotopresse
das Messucherkonzept nicht auch "totgeschrieben"?
Ich denke, das waren nicht die Achtziger, sondern die Siebziger. Nach
dem vergleichsweisen Flop der M5 und Rueckkehr zur M4-Serie scheint es
bei Leica Gedanken zur Aufgabe der M-Serie gegeben zu haben. Mit den
Siebzigern war einfach der Durchbruch fuer SLR da, auch und gerade im
gehobenen Amateursegment, nicht zuletzt aufgrund der Marktdurchdringung
durch die grossen japanischen Marken. Mitte/Ende der Achtziger aber sah
es fuer die M-Leica schon sehr viel besser aus: 1984 kam die M6, und das
war IMHO ein Durchbruch zu einer gewissen Messucher-Renaissance. Seitdem
tut sich wieder was auf dem Gebiet.
Post by Frank MechelhoffWas ist denn aus Walter E. Schön und seinen kritischen, peniblen Tests
geworden?
Dazu sollte Ralf C. was sagen koennen, er hatte vor einiger Zeit noch
persoenlichen Kontakt. Ende Februar 2004 lief dazu hier ein Thread, in
dem Du viele Details nachlesen kannst. Darunter auch die bereits ange-
sprochenen. Ist bei Interesse wirklich ergiebig und interessant.
Als kurze Uebersicht und nach meinem Kenntnisstand: Nach der CoFo-Zeit
war WES bei der Photo-Revue, AFAIK sogar als Chefredakteur. In einigen
Tests jener Zeit findet sich seine Handschrift denn auch deutlich
wieder. Jedenfalls habe ich bisher noch keine anderen Kompaktknipsen-
tests mit Ausschnittvergroesserungen bei verschiedenen Blenden und den
SLR-ueblichen Messungen zur Belichtungsgenauigkeit bei Tageslicht und
mit Blitz gesehen. Vor einigen Jahren war er IIRC bei Rodenstock in der
technischen Dokumentation. Ich haette hier eine GF-Rechenscheibe mit
seinem Namen drauf. Hifi-Juengern ist bis heute die "Schoen-Schablone"
zum Einstellen von Tonarmen und Tonabnehmern ein Begriff, WES war auch
mal in dieser Branche taetig. Ansonsten haette ich hier noch das B+W
Filterbuch, dessen Text von ihm stammt. Inzwischen ist er wohl in Sachen
Astrooptik, Fernglaeser und aehnlichem unterwegs, jedenfalls wurde er da
in entsprechenden Foren gesichtet. Wenn ich das richtig verstanden habe,
koennte dazu ein Buch in Arbeit sein.
Dieter
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