Mein Schwiegervater hat mir seine
Minolta XG-M mit dem Normal-
objektiv 1,2/50 mm überlassen. [...]
Ich möchte mir ein 24er WW, ein
Portraitobjektiv und fixes 200er Tele
oder ein adäquates Zoom zulegen.
Da ich ansonsten mit Canon fotogra-
fiere, interessierte ich mich nie
wirklich für Minolta-Erzeugnisse.
Es soll aber einige hervorragende
Optiken dazu geben. Kann mir jemand
Tips dafür geben?
Allerdings! Zunächst einmal: es gibt von Minolta zwei
Kleinbild-Spiegelreflex-Systeme -- das SR-System (seit
1958, oft fälschlich als "MD-System" bezeichnet) und
das AF-System (seit 1985, mit Autofokus). Die zwei
Systeme sind zu 99,5 % inkompatibel.
Deine XG-M ist aus dem SR-System, daher passen nur
SR-Objektive daran, keine AF-Objektive. SR-Objektive
gibt es im wesentlichen -- von einigen Spezialoptiken
abgesehen -- in drei Haupt-Baureihen, als da wären (in
chronologischer Reihenfolge):
- MC Rokkor (ab 1966)
- MD Rokkor (ab 1977)
- MD (ab 1981)
Noch ältere Objektive, also einfache Rokkore und Auto-
Rokkore, sind für die XG-M uninteressant, weil sie nicht
mit deren Blendensimulator kuppeln (sie würden aber
trotzdem an das SR-Bajonett passen). Die Rokkore
hatten bis 1972 metallene Berg-und-Tal-Fokussierringe
und seitdem die bis heute üblichen Gummiwaffel-Ringe.
Die Objektive der drei genannten Reihen sind optisch alle
gut bis sehr gut. MC-Rokkore und frühe MD-Rokkore sind
mechanisch am robustesten. Späte MD-Rokkore sind gering-
fügig leichter gebaut, und bei den MDs wird der Leichtbau
auf die Spitze getrieben, mit Ausnahme einiger "teurer"
Objektive (d. i. extreme Brennweiten und/oder Lichtstärken).
MC-Rokkore haben dafür tendenziell weniger effiziente
Vergütungen -- sie sind schon gut, aber die der späteren
Objektive sind halt noch besser. Generell empfehle ich alles,
was "Rokkor" heißt. Objektive ohne "Rokkor"-Namen sollte
man eher meiden, mit Ausnahme einiger besonderer Modelle.
Beim 24er kannst du alles nehmen, was Rokkor heißt, egal
ob MC oder MD -- sie haben eh alle dieselbe Optik mit neun
Linsen in sieben Gruppen (die übrigens auch im damaligen
Leitz Elmarit-R 2,8/24 mm steckte). Besonders begehrens-
wert, aber natürlich auch besonders teuer, sind die VFC-Rok-
kor-Versionen mit verstellbarer Bildfeldwölbung (Variable
Field Curvature).
Beim Portrait-Tele gibt's das MC Rokkor 1,7/85, das MD Rok-
kor 2/85 und das MC/MD Tele Rokkor 2,5/100. Am besten
will mir das 2/85 erscheinen. Das ältere 1,7/85 ist etwas weich
bei großen Blenden, aber exzellent ab Blende 4. Die 100er
sind ebenfalls sehr gut, ich habe aber keinen direkten Vergleich
zu den 85ern. Das MC 100er gibt's mit 1,2 m und mit 1 m
Nahgrenze. Beide sind gut, aber mit 1,2 m wird's für Portraits
manchmal eng. Das MD 100er hat stets 1 m Nahgrenze. Ich
persönlich mag 100 mm als Portraitbrennweite lieber, 85 mm
ist mir tendenziell zu kurz ... aber das ist Geschmackssache.
100er-Makroobjektive gibt's auch, doch wegen ihrer extrem
steilen Schneckengänge sind die für Portraits unangenehm zu
benutzen.
Beim 200er kannst du auch alle Rokkore nehmen, die es gibt,
als da wären MC 4,5/200, MC 3,5/200, MC/MD 4/200 und
MD 2,8/200. Das 4/200 ist gut und günstig. Das 2,8er ist rar
und teuer. Eine wirklich gangbare Alternative, auch für Fest-
brennweiten-Fans, ist das MD Zoom Rokkor 4,5/75-200.
Kaufe dir außerdem ein MC oder MD Tele Rokkor 2,8/135,
und zwar die vierlinsige Version (erkennbar am rautenförmi-
gen kombinierten Entfernungs- und Blendenindex) -- das ko-
stet mit etwas Glück keine 50 Euro und ist saugut! Allerdings
sind die älteren Sechslinser und die späteren Fünflinser eben-
falls zu empfehlen, so daß du mit einem 2,8/135 eigentlich
nichts falsch machen kannst. Und ein MC Rokkor-HH 1,8/35
kannst du bei Gelegenheit auch mal mitnehmen.
Der einzige ernste Fehler, den du machen könntest, wäre was
von ratiopharm (... äh, ich meine natürlich Sigma, Tamron,
Tokina usw.) zu nehmen, um ein paar Euro zu sparen. Doch das
lohnt nicht!
Olaf