Post by Oliver JennrichZählen für die IVW eigentlich *verkaufte* Exemplare oder Exemplare im
Umlauf? Letzteres bekäme man auch dadurch hin, dass man die Zeitschrift
irgendwo als Zugabe verramscht - Schwiegereltern bekamen jahrelang die
DigitalFoto als 'Zugabe' zu ihrer GDT-Mitgiedschaft.
Die IVW ist eine Wissenschaft für sich. Nicht umsonst sind Vertriebsleiter
in Verlagen hochbezahlte Leute.
Ausgewiesen werden normalerweise nur Vollexemplare, das sind zum regulären
Preis per Abo oder am Kiosk vertickte Exemplare. Ermäßigte Exemplare, über
Sonderkooperationen, Studentenrabatte, Bordexemplare etc. zählen nicht
dazu. Allerdings muss man, um 50.000 Stück am Kiosk zu verkaufen, locker
70.000 bis 100.000 drucken, und der Zeitschriftenhandel darf nicht
verkaufte Zeitschriften remittieren. Das Teure daran ist weniger das
Drucken, es ist egal, ob die Druckmaschinen für eine Ausgabe CoFo jetzt 60
oder 70 Minuten laufen. Das Teure ist der Vertrieb, die Kosten für den
Pressegrosso. Die Kunst eines guten Vertriebsleiters liegt also darin, die
Druckauflage so zu steuern, dass er maximale Reichweite bei minimaler
Remission hinbekommt.
Abgesehen davon versucht natürlich jeder Verlag, Reichweite zu bekommen,
und sei es nur, um die potenziellen Leser eines Wettbewerbstitels zum
Umschwenken zu bewegen. Das läuft dann unter "verbreitete Auflage".
Außerdem eignen sich Beigaben, Bundles etc. natürlich auch dazu,
Vertriebserlöse zu generieren. Früher hat das FoMag einmal im Jahr ein
Akt-Sonderheft rausgegeben, das kostete mit 14,95 Mark etwa doppelt so viel
wie eine reguläre Ausgabe. Das war so kalkuliert, dass es sich allein über
den Vertriebserlös rechnete, weil kaum Werbung drin war.
Exkurs: Keine nackte Frau ist so schön dass man sie noch spannend findet,
wenn man sechs Wochen lang jeden Tag an ihrem Bild vorbeigelaufen ist, weil
der Bildchef die Bilderstrecken auf dem Redaktionsflur ausgelegt hat;-)
Zurück zur IVW: Die so richtig fundamental zu bescheißen ist nicht einfach,
und wenn es rauskommt, bist du erledigt. Anfang der 90er gab es die
deutsche Lizenzausgabe des französischen Photo, die nervten die ganze
Branche mit enorm hohen IVW-Meldungen und hatten angeblich 105.000
Verkaufte. Da hätte CoFo auf Platz 2 gelegen und FoMa auf Platz 3. Das tut
dann schon weh, weil viele Mediaplaner sagen, wir buchen nur den
Marktführer und vielleicht noch die Nummer 2. Irgendwann hatte Nikon eine
Beilage bei denen gebucht und hatte die Beilage auch schon drucken und auf
Palette in die Druckerei schicken lassen - 110.000 Stück (Auflage plus
etwas Reserve). Die Druckerei der deutschen Photo wusste nichts von der
absurd hohen IVW-Meldung des Verlages und druckte, wie bestellt, 15.000
Zeitschriften und packte ihnen auch 15.000 der 110.000 Nikon-Beileger bei.
Und weil der Druckerei keiner gesagt hatte, was mit überzähligen Beilegern
zu geschehen hat, haben sie sie an Nikon zurück geschickt :-0
Die nächste Ausgabe Photo ist dann glaube ich nicht mehr erschienen.
Man mag von der IVW halten was man will, aber ich halte die Aussage, dass
eine CoFo heute nur noch die Hälfte dessen verkauft wie vor 20 Jahren für
ebenso glaubhaft wie die Aussage, dass sie ihre damalige Marktführerschaft
inzwischen abgegeben hat. Und 40.000 Verkaufte sind nicht toll, alles unter
50.000 gilt als problematisch, zumindest galt das vor zehn Jahren noch, als
ich noch im Special-Interest unterwegs war. Andererseits, selbst die geile
Wired hatte selbst in ihren besten Tagen nie mehr als 200.000 Verkaufte und
hat ihre Macher reich und berühmt gemacht.
Frank
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Getippt auf einem geborgten Uralt-iPad